Wie bekommt die Justiz den akuten Personalmangel in den Griff?

15. August 2022

Wie bekommt die Justiz den akuten Personalmangel in den Griff?

v.l.: Oe. Nevruz (AG Augsburg), H. Stuffer (AG München), G. Schmid (AG München), O. Kopsch (LG Augsburg), S. Enders (FW), R. Langhans (AG Memmingen) T. Schmied (AG Memmingen) und S. Oberauer (LG Traunstein)
v.l.: Oe. Nevruz (AG Augsburg), H. Stuffer (AG München), G. Schmid (AG München), O. Kopsch (LG Augsburg), S. Enders (FW), R. Langhans (AG Memmingen) T. Schmied (AG Memmingen) und S. Oberauer (LG Traunstein)

Die BJG im Gespräch mit Susann Enders von den Freien Wählern

In der bayerischen Justiz herrscht der Ausnahmezustand. Die Wachtmeister sind überlastet, die Justizangestellten haben wenig Entwicklungsmöglichkeiten, die Justizfachwirte haben Personalmangel und die Rechtspfleger haben mit Überstunden zu kämpfen. Das sind nur ein paar der zahlreichen Personalprobleme, mit denen die Justiz zu kämpfen hat.

Die Politik ist gefragt.

Deshalb führten sieben Mitglieder des Bezirksverbandes München der Bayerischen Justizgewerkschaft e.V. am 11.07.2022 im Bayerischen Landtag ein Gespräch mit der Landtagsabgeordneten Susann Enders. Sie ist Generalsekretärin der Freien Wähler Bayern und gesundheitspolitische Sprecherin für Soziales, Familie und Barrierefreiheit. 25 Jahre lang war Enders als Krankenschwester in Murnau tätig, außerdem war sie Behindertenbeauftrage der Stadt Weilheim.

Die BJG im Gespräch mit Susann Enders von den Freien Wählern

In der bayerischen Justiz herrscht der Ausnahmezustand. Die Wachtmeister sind überlastet, die Justizangestellten haben wenig Entwicklungsmöglichkeiten, die Justizfachwirte haben Personalmangel und die Rechtspfleger haben mit Überstunden zu kämpfen. Das sind nur ein paar der zahlreichen Personalprobleme, mit denen die Justiz zu kämpfen hat.

Die Politik ist gefragt.

Deshalb führten sieben Mitglieder des Bezirksverbandes München der Bayerischen Justizgewerkschaft e.V. am 11.07.2022 im Bayerischen Landtag ein Gespräch mit der Landtagsabgeordneten Susann Enders. Sie ist Generalsekretärin der Freien Wähler Bayern und gesundheitspolitische Sprecherin für Soziales, Familie und Barrierefreiheit. 25 Jahre lang war Enders als Krankenschwester in Murnau tätig, außerdem war sie Behindertenbeauftrage der Stadt Weilheim.

Insbesondere auf den Ebenen der Justizwachtmeister, der Justizangestellten, der Justizfachwirte und der Rechtspfleger gibt es zahlreiche Problempunkte, von denen die BJG- Mitglieder wie folgt berichteten:

Justizwachtmeister:

Die Belastung für die Wachtmeister ist sehr hoch. Bisher hatten sie mit ihren Sicherheitsaufgaben und der Aktenverteilung-/verwaltung bereits alle Hände voll zu tun. Seit der Einführung der elektronischen Akte im Rahmen der Digitalisierung kommt eine weitere Aufgabe dazu, die eigentlich keine originäre Wachtmeisteraufgabe ist: das tägliche Einscannen der zahlreichen Posteingänge. Die Folge: Überlastung und eine verringerte Arbeitsqualität. Die Justiz benötigt dringend mehr Personal.

H. Stuffer weist darauf hin, dass Scanaufgaben von Menschen mit Behinderungen übernommen werden könnten. Banken würden Menschen z.B. mit Autismus bevorzugt einstellen, wenn es um wiederkehrende Arbeit geht. Ihr Sinn für Detailfehler sei besonders ausgeprägt, so Enders.

O. Kopsch, BJG-Mitglied am Landgericht Augsburg, ergänzt, dass in Augsburg u.a. sehbehinderte Menschen erfolgreich in der Telefonzentrale eingesetzt werden – eine Win-Situation für die Justiz, da dadurch Kollegen entlastet werden. Dies funktioniere auch in den Polizeibehörden bereits sehr gut.

BJG-Mitglied G. Schmid vom Amtsgericht München fordert „Freie Fahrt für alle uniformierten Justizbeamten“. Während die Bundeswehrsoldaten ein kostenloses Job- Bahnticket bekommen, hat die Politik der Justiz diesen Bonus bisher verwehrt. Dies wäre eine erhebliche finanzielle Entlastung für die Kollegen der 1. QE, die sich oft nur mit einem Nebenjob über Wasser halten können.

Justizangestellte:

Auch die Beschäftigungsbedingungen für Tarifbeschäftigte im öffentlichen Dienst im Arbeitnehmerbereich sollten dringend verbessert werden. Bei den Kommunen haben die Angestellten bessere und attraktivere Entwicklungsmöglichkeiten als bei der Justiz, wo Aufstiegschancen von Entgeltgruppe 5 bis max. Stufe 6 möglich sind. Eine Erweiterung der Aufstiegschancen würde dahingehend eine Verbesserung bringen.

Justizfachwirte:

Hier herrscht großer Personalmangel. Der Appell an die Politik, mehr Beamte in der 2. QE einstellen, besteht schon seit längerer Zeit, wurde jedoch in der Vergangenheit nur unbefriedigend umgesetzt. Den größten Anteil der fertig ausgebildeten Justizfachwirte beanspruchen die Justizbehörden in München. Eine bessere Berücksichtigung der örtlichen und persönlichen Umstände der jeweiligen Anwärter wäre wünschenswert.

Dazu kommt eine Diskrepanz zwischen der hochwertigen Ausbildung und den im Anschluss auszuführenden Tätigkeiten – die Justizsekretäre werden zu bloßen Schreibkräften degradiert – und unzureichenden Entwicklungsmöglichkeiten.

Laut Dienstrechtsreform besteht nur noch eine Laufbahn. Diese sollte vornehmlich durchlässiger gestaltet werden. So könnten z.B. Aufgaben der 3. QE zur 2. QE übertragen werden.

Wie bekannt, stehen nicht genügend bezahlbare Staatsbedienstetenwohnungen während sowie nach der Ausbildung gerade in Ballungsräumen zur Verfügung. BJG-Mitglied S. Oberauer, Justizsekretärin am Landgericht Traunstein und 1. stellv. Vorsitzende der BJAV am OLG München, schlägt eine höhere Schaffung von Staatsbedienstetenwohnungen für Anwärter vor; dies würde den Beruf des Justizsekretärs insbesondere in München attraktiver machen.

Rechtspfleger:

Auch bei den Rechtspflegern herrscht akuter Personalmangel. Vertretungen sind die Regel, Überstunden nehmen überhand. Eine Entlastung ist dringend vonnöten.

Susann Enders zeigt Verständnis für die Personalprobleme in der Justiz. In allen Bereichen herrsche Fachkräftemangel – durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie insbesondere in der Pflege. Sie vergleicht die Situation mit ihren Erfahrungen als Krankenschwester; dort war in der Klinik vom Reinigungspersonal bis zum Arzt jeder gefordert, doch nicht jeder wurde für seine Arbeit wertgeschätzt und gefördert.

Ihren Wechsel vom OP-Tisch zur Politik erklärt sie damit, dass sie sich mehr Fachkräfte in der Politik wünscht. Es sei nicht wünschenswert, dass nur Theoretiker Gesetze machen, da sie manche Probleme nicht sehen würden. Frau Enders erzählt hierbei, dass sie den in die Tat umgesetzten Coronabonus für Pflegekräfte persönlich im Kabinett vorgeschlagen hatte.

Sie beschreibt die derzeit schwierige Situation, Fachstellen im Haushaltsplan durchzusetzen. Viele Finanzierungen würden pandemiebedingt abgelehnt werden. Sie gesteht ein, dass im Staatshaushalt evtl. während der Corona-Zeit falsche Schwerpunkte gesetzt wurden.

Etwas Hoffnung macht sie den BJV-Mitgliedern jedoch: Gelder für die Justiz seien im Haushaltsplan eingeplant und sogenannte „Blaulichtgruppen“ für Ehrenamtliche sollen das Berufsbild des Wachtmeisters bekannter und schmackhafter machen.

Selbstverständlich, sagt Enders, müssten jegliche Beschlüsse auch von der Mitregierungspartei CSU abgesegnet werden. Die Gesprächsbereitschaft und das Verständnis der Abgeordneten Enders für die Situation der Justiz ist ein erster Schritt. Damit die Politik der Justiz aus der Krise verhilft, müssen aber wohl noch viele weitere Gespräche geführt werden.